Wir sind gerade auf dem Weg zur Schule, um unseren ersten Besuch abzustatten. Ich frage mich gerade, wer wohl im Moment aufgeregter ist. Wir, die wir noch nicht genau wissen, was uns erwartet, oder unsere Gastgeber, die gespannt sind, wer da heute kommt. Wir haben uns etwas verspätet, aber in Kenia sieht man nicht ständig auf die Uhr. Wir erreichen die Schule und die ersten neugierigen Augenpaare richten sich auf uns. Man bittet uns kurz in die Bibliothek, um zu warten, bis draußen auf dem Schulhof alles für den Empfang arrangiert werden konnte. Als wir rauskommen stehen alle 1000 Schüler in einem fast geschlossenen Kreis. Ich staune über das hohe Maß an Disziplin. Es ist tatsächlich fast vollkommen still im Moment.
Der Rektor der Schule ist leider erkrankt und wird von einem der Senior-teacher vertreten. Kurz erklärt er den Schülern, was heute für eine besonderer Tag ist und warum wir gekommen sind. Als er fragt, wieviel Kinder eine Brieffreundschaft mit einem deutschen Kind wünschen, heben natürlich alle die Hand. Na ja, das war zu erwarten. Leider haben wir für den Anfang erst mal nur 16 Kinder aus Deutschland. Nach ihm sagt der Chairman (Vorsitzender des Schulausschusses) noch ein paar Worte und dann hat der Pastor seinen Auftritt. Seine Rede an die Schüler ist eine gute Mischung aus liebevoller Fürsorge und unnachgiebiger Strenge. Man spürt in jeder Sekunde, daß er einer der höchsten Respektspersonen in dieser Gegend ist.
Ich bin lange genug in Kenia, um zu wissen, daß jetzt mein Auftritt folgen wird. Und dann rufen auch schon alle im Chor „Mgeni njoo, mgeni njoo“, was so viel heißt wie: „Komm, Gast, sag uns was“. Noch in dem Moment, als ich das thronartige Steingebilde in der Mitte des Hofes besteige, überlege ich, ob ich meine Begrüßungsrede nun in englisch oder suaheli halten soll. Englisch würde die Bedeutung des ausländischen Besuches wohl verstärken, ist mir allerdings nicht so geläufig. Was ich genau sagen soll, weiß ich eigentlich sowieso noch nicht. Aber als ich mich zu den Schülern umdrehe und ausgerechnet in die gespannten Augen der Allerkleinsten schaue, kommen meine Worte ganz allein in Suaheli. Sie würden mich ja sonst gar nicht verstehen, da sie erst ab der dritten Klasse überhaupt englisch lernen.
Nachdem auch Martin noch ein paar Begrüßungsworte gesagt hat, kommt noch mal der Pastor an die Reihe. Er läßt alle Kinder ein Begrüßungslied anstimmen. Danach haben die Kleinsten aus der Nursery school Gelegenheit, den Gästen aus Deutschland die Hand zu schütteln. Binnen kurzen stehe ich in einem Pulk aus Kindern und kann nur noch wahllos nach den ausgestreckten Händen greifen. Es sind einfach zu viele.
Danach ziehen sich die Kinder in ihre Unterrichtsklassen zurück und wir beginnen unter der Führung des Pastors und des Senior-Teachers einen kleinen Rundgang über das Gelände und in einige Klassenräume.
Ein Teil des praktischen Unterrichts ist der Anbau von Mais.
7 Toiletten für über 1000 Schüler.
Hier entsteht ein Kindergarten.
Einmal am Tag bekommen die kleinsten der Schule eine Portion Porridge.
Um mehr Ruhe zum Lernen zu haben, bringen die Schüler manchmal ihren Tisch nach draußen.
Ganz besonders freut es uns, daß es in der Schule einen Raum gibt, in dem behinderte Kinder separat unterrichtet werden, aber nicht ausgegrenzt, sondern eben zusammen mit den anderen Kindern in einer Schule. Ihr Lehrer ist selbst stark sehbehindert, fast blind. Die Blinden lernen hier die Brailleschrift und Kinder mit Lernschwierigkeiten werden hier besonders gefördert. Da sie mit den anderen Kindern zusammen diese Schule besuchen, lernen die gesunden Kinder, mit den Behinderten umzugehen und ihre speziellen Bedürfnisse zu berücksichtigen. So viel wie möglich sind die Kinder aber zusammen in einer Klasse und die behinderten Kinder gehen nur für spezielle Übungen in den separaten Raum.
Dies ist die Gruppe der körperlich Behinderten.
Ein blinder Junge versucht, Zahlen an die passende Stelle zu setzen.
Ein ebenfalls blinder Junge setzt die menschlichen Körperteile zusammen.
Es ist ein interessanter Rundgang und wir finden wenig von dem, was wir von deutschen Schulen kennen. Der letzte Teil unseres heutigen Besuches ist einem Treffen mit den Lehrern gewidmet, wozu wir uns wieder in der Bibliothek einfinden. Jeder der anwesenden Lehrer stellt sich vor und nennt die Klassen und Fächer, die er oder sie unterrichtet.
Die Neugierde des Kollegiums bezüglich der Zusammenarbeit der Schulen und der Brieffreundschaften ist gross und es werden noch eine Menge Fragen gestellt. Bei der Gelegenheit überreiche ich dann auch gleich die Unterlagen aus Deutschland und die Briefe der deutschen Kinder, damit die Suche nach den kenianischen Freunden möglichst bald beginnen kann. Die Fotos aus der deutschen Schule und von den deutschen Kollegen finden großes Interesse und alle freuen sich auf einen guten Kontakt und eine fruchtbare Zusammenarbeit. Eine Lehrerin fragte sogar, ob sie denn selber auch eine Brieffreundschaft mit einer der Lehrerinnen in Deutschland haben darf.
Wir verlassen die Schule mit dem guten Gefühl, daß der erste und wichtige Schritt für eine Annäherung dieser beiden so unterschiedlichen Schulen in Kenia und Deutschland heute getan wurde.
Montag geht’s weiter.
Zum Schluss geben wir dem Rektor der Schule das Wort:
Text: Dirk Sültrop
Bilder: Martin Neumann