European Photography

Von Dieter Faustmann

European Photography 87 Spring/Summer 2010

European Photography 87 Spring/Summer 2010

Ich möchte in diesem Blog nicht nur über Fotogeräte, sogenannte Hardware, schreiben; ich will einen Teil meiner Schreibe auch auf das richten, worum es eigentlich in der Essenz der Fotografie generell geht: Bilder.

Was liegt da näher, als auch hin und wieder einen Beitrag über Fotobücher bzw. Fotozeitschriften, in denen es um Fotografie geht, einzustreuen.

Da ich beruflich viel mit der Deutschen Bahn fahre und mich aufgrund der zuverlässigen Verspätungen und Ausfälle viel in Bahnhofsbuchhandlungen aufhalten muss, habe ich viel Zeit, mir dort diverse Fotozeitschriften im Bahnhofskiosk anzuschauen. Vor einiger Zeit fiel mir die „European Photography“ in die Hände und ich halte sie seitdem für eine der besten Zeitschriften für zeitgenössische Fotografie überhaupt.

Es geht hier konkret um die Ausgabe mit der Nummer 87 „Spring/Summer 2010“.

In der Ausgabe 87 dieses Jahres liegt der Schwerpunkt der gezeigten Arbeiten in „Zeitgenössische Fotografie in den USA“. Es gibt einen großen Artikel zum Thema „Fotobücher sammeln?“ bis hin zu einem sehr gut geschriebenen Bericht zum Thema „Ist das Ureberrecht tot?“. Alles gut garniert mit wenigen Fotos einiger Fotografen, zu deren Bildern es auch erklärende Beschreibungen gibt, was ich immer gut finde, da sich dem Betrachter nicht immer direkt Sinn oder Unsinn einer Serie erschliesst. Es ist ja nicht so, dass dem Betrachter von Bildern immer sofort klar wird, was der Impuls, was die Absicht des Bildschaffenden ist, und ich finde Erklärungen zu Bildern immer wunderbar, da es mir den Hintergrund einer Serie öffnet und ich sie so besser verstehen kann.

Ich habe mir für diesen Beitrag eine Handvoll Fotografen aus dieser 87er Ausgabe ausgesucht, die mich am ehesten angesprochen haben. Fange ich doch am besten einfach mal an:

Paul Shambroom

Paul Shambroom

Die Bilder von Paul Shambroom widmen sich, wie bereits auf dem Cover der aktuellen Ausgabe zu sehen ist, militärischen Waffen. Die USA ist einer der größten Waffenlieferanten der Welt und wie das in jedem Wirtschaftsbereich dieses Planeten so ist, zu kommt es auch hier zu „Produktionsüberschüssen“. Was macht man damit? In Amerika wird sozusagen eine „sinnvolle“ Resteverwertung durchgeführt. Patriotische Amerikaner können sich diese „Waffen“ in ihre Vorgärten stellen. Ein großer Teil dieser Tötungsmaschinen landet auf Ehrenfriedhöfen, Highways und, ganz profan, auf Parkplätzen und anderen Orten des tägichen Lebens.

Was mich an diesen Bildern neben vielen Dingen wie der Selbstverständlichkeit, der Ruhe in der Natur usw. fasziniert: Ich versuchte mir vorzustellen, was in Deutschland passieren würde, käme mein Nachbar auf die Idee, sein gradlinig und streng angelegtes Rosenbeet mit einem, natürlich leeren, Bombensprengkörper etwas aufzulockern. Oder wir würden in den Supermarkt fahren und links und rechts der Parkplatzzufahrt thronen ein paar Phantom-Starfighter auf Sockeln, um uns herzlich willkommen zu heißen.

Diese Bilderserie mag uns abstrus erscheinen, und genau darin liegt ihre Faszination: Der Unterschied „Europa – Amerika“ kann sich bildlich kaum deutlicher voneinander unterscheiden, wenn dies auch nur ein kleiner Splitter des Ganzen ist. Die Fotos wirken auf den Betrachter auf eine fast friedliche Art und Weise bizarr.

Richard Mosse

Richard Mosse

Die Bilder von Richard Mosse wurden 2009 aufgenommen. Er fotografierte die herrschaftlichen Bauten Sadam Husseins, bevor die Amerikaner den Irakern ihr Land „zurückgaben“. Wie im Text nachzulesen ist, waren die amerikannischen Besatzer auf rund 80 Paläste über das ganze Land verteilt, was wohl ausschließlich zu demonstrativen Machtzwecken geschehen ist.

Dieses Bild auf der rechten Seite wirkt fast wie eine mittelalterliche Malerei, die Soldaten auf dem „Dach der Welt“ schon fast wie Gotteskrieger in einem reichlich abstrusem Szenario: Unten im Bild der leere blaue Pool, über ihnen ein strahlend blauer Himmel, im Hintergrund unendliche Weite. Die Soldaten wirken absolut deplatziert auf diesen Bildern, ein Schelm, wer diese Aussage umdeuten kann. Dies ist eine Serie, die ich mir auf jeden Fall auch gerne in einem Bildband anschauen würde, da hier leider nur zwei Bilder in der European Photography abgebildet sind.

Brian Ulrich

Brian Ulrich

Brian Ulrich beschäftigt sich mit dem Ablichten des toten, amerikanischen Traums in Form leerer Einkaufspassagen, Geschäftsaufgaben, leerer Plakten und nicht mehr vorhandener Werbebotschaften. Amerika, wieder einmal, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, basierend auf Konsum. Doch was, wenn dieser Konsum plötzlich ausbleibt? Und was passiert mit diesen Konsumtempeln, die einst für den Amerikanischen Traum standen? Die Leere und Eintönigkeit will nicht so ganz zu den inneren Bildern passen, die man mit diesem Thema assoziiert. Großes, leeres Augenkino, in dem kein Film mehr gezeigt wird.

Greg Stimac

Greg Stimac

Auch Greg Stimac zeigt uns einen Ausschnitt des amerikanischen Lebens, der seltsam anmutet. Es scheint für den amerikanischen Durschnittsbürger nach einer stundenlangen Autofahrt das Selbstverständlichste auf der Welt zu sein, auf einem Rastplatz halt zu machen und mit scharfer Munition in die Botanik zu feuern. Kinder dürfen natürlich mitmachen. Im Text zu den Bildern steht, dass Greg Stimac den Schützen auf diesen Rastplätzen mit seiner Mittelfomatkamera „entgegen“ trat. Die Bilder wurden selbstverständlich aus dem Hintergrund mit einem Fernauslöser gemacht. Auch hier wieder einmal die Frage für uns Europäer, ob man sich das hier so vorstellen kann und wie unterschiedlich zwei westliche Welten von ihrer Gesellschaftsstruktur, ihren Werten und Normen sein können.

Wir meinen dieses Land zu kennen, aus Film und Fernsehen, aber ich für meinen Teil muss sagen, dass einige der hier gezeigten Facetten auf mich verstörend und ausgesprochen fremd wirken. Was größtenteiles daran liegt, dass alles, was gezeigt wird, eine Ruhe und Selbstverständlichkeit ausstrahlt, die im Grunde den Humus für den Gedankenwahnsinn bildet, den man sich eigentlich nicht vorstellen kann.

Oder vorstellen möchte.

Die European Photography gibt es in gut sortierten Bahnhofsbuchhandlungen, sowie einigen kleinen, gut sortierten Buchhandlungen, die auch andere gute Zeitschriften über Fotografie vertreiben.

Gut Licht
Dieter Faustmann